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Jede fünfte Person ab 65 Jahren ist im Kanton Nidwalden von Armut betroffen – nur in zwei Kantonen sind es mehr

Die Gründe für die verbreitete Einkommensarmut im Kanton Nidwalden sind nicht eindeutig. Klar ist aber: Mehr Seniorinnen und Senioren könnten Ergänzungsleistungen beantragen. 

«Am meisten schmerzt, dass ich mir keine Ferien und Ausflüge mehr leisten kann.» Anna H.* ist 68-jährig, geschieden und lebt allein im Kanton Nidwalden. Für Ferien und Ausflüge fehlt ihr schlicht das Geld. Anna H. hat eine monatliche AHV von rund 2100 Franken und aus der Pensionskasse erhält sie 238 Franken. Rund die Hälfte davon verschlingen Fixkosten wie Miete, Stromkosten, Handy- und Fernsehabonnement. Die Geschichte von Anna H. ist kein Einzelfall in Nidwalden.

Jede fünfte Person über 65 Jahre ist im Kanton Nidwalden von einer solchen Einkommensarmut betroffen. Zu diesem Ergebnis gelangte die Teilstudie «Altersarmut in der Schweiz 2022» der Pro Senectute Schweiz. Nidwalden weist mit 20,7 Prozent Armutsbetroffenen den dritthöchsten Wert aller Kantone auf, nur in den Kantonen St.Gallen (21,1 Prozent) und Tessin (29,5 Prozent) sind noch mehr Seniorinnen und Senioren betroffen.

Alle drei Kantone liegen damit deutlich über dem Schweizer Durchschnitt von 13,9 Prozent. Von Einkommensarmut betroffen zu sein, heisst, über ein Äquivalenzeinkommen (Haushaltseinkommen gewichtet nach Alter und Anzahl der Personen im Haushalt) zu verfügen, das unterhalb der Armutsgrenze liegt. Im Jahr 2020 betrug die Armutsgrenze laut Bundesamt für Statistik durchschnittlich 2279 Franken pro Monat für eine Einzelperson.

Nicht alle nehmen Ergänzungsleistungen in Anspruch

Überrascht und sehr betroffen ob der Ergebnisse der Studie zeigt sich Brigitta Stocker, Geschäftsleiterin der Pro Senectute Nidwalden. Ein Problem sieht sie darin, dass sich viele Betroffene zurückhalten, Hilfe zu holen:

Alle drei Kantone liegen damit deutlich über dem Schweizer Durchschnitt von 13,9 Prozent. Von Einkommensarmut betroffen zu sein, heisst, über ein Äquivalenzeinkommen (Haushaltseinkommen gewichtet nach Alter und Anzahl der Personen im Haushalt) zu verfügen, das unterhalb der Armutsgrenze liegt. Im Jahr 2020 betrug die Armutsgrenze laut Bundesamt für Statistik durchschnittlich 2279 Franken pro Monat für eine Einzelperson.

Nicht alle nehmen Ergänzungsleistungen in Anspruch

Überrascht und sehr betroffen ob der Ergebnisse der Studie zeigt sich Brigitta Stocker, Geschäftsleiterin der Pro Senectute Nidwalden. Ein Problem sieht sie darin, dass sich viele Betroffene zurückhalten, Hilfe zu holen:

«Viele armutsbetroffene Menschen in Nidwalden haben Hemmungen, Ergänzungsleistung in Anspruch zu nehmen.»

Die Ergänzungsleistungen helfen Menschen, deren Renten und das Einkommen die minimalen Lebenskosten nicht decken. Wer sich in dieser Situation befindet, hat einen rechtlichen Anspruch auf Ergänzungsleistungen.

Anna H. bezieht seit zwei Jahren Ergänzungsleistungen zur AHV. Mit den Ergänzungsleistungen von rund 330 Franken kommt die Nidwaldnerin auf ein Monatseinkommen von rund 2700 Franken brutto. Nur dank der Ergänzungsleistungen könne sie sich überhaupt den Lebensunterhalt leisten, schreibt uns die Frau. Für viel mehr reiche das Geld nicht. 

Anna H. musste nicht überredet werden, die Ergänzungsleistungen anzufordern. Trotz Innerschweizer Stolz empfinde sie keine Scham, auf das Geld angewiesen zu sein. Anderen Leuten, die von Altersarmut betroffen sind, empfiehlt sie, dasselbe zu tun: «Wir müssen uns nicht für die Ergänzungsleistungen schämen, denn wir haben ein ganzes Leben lang gearbeitet und Steuern bezahlt», schreibt Anna H. 

Suche nach Umständen schwierig 

Für Gesundheits- und Sozialdirektor Peter Truttmann ist es wichtig, dass Betroffene keine falsche Scheu haben, sich bei Pro Senectute oder den Sozialämtern über die bereits bestehenden Unterstützungsangebote zu informieren und diese in Anspruch zu nehmen. Er könne sich vorstellen, «dass Armutsbetroffene im Kanton Nidwalden sich selbst gar nicht als ‹arm› bezeichnen oder zu bescheiden sind, Ergänzungsleistungen zu beantragen, weil sie anderen nicht zur Last fallen wollen.» Hier können auch betreuende Angehörige eine wichtige Rolle spielen, indem sie sich aktiv einsetzen für das Wohl von Betroffenen, die selbst keine Unterstützung anfordern, so Truttmann weiter.

Der Regierungsrat wird den Teilbericht analysieren und die notwendigen Schlüsse daraus ziehen, so Truttmann. Eine neu gebildete Arbeitsgruppe soll sich mit den Resultaten auseinandersetzen. In der Studie werden grosse Unterschiede zwischen den Kantonen festgestellt. Jedoch werden keine bekannten Muster wie die Sprachregionen oder der Stadt-Land-Graben deutlich. Dies mache die Suche nach Umständen anspruchsvoller, sagt Truttmann. 

Bisher bestehe im Kanton Nidwalden kaum auffälliges Armutsverhalten, was aber auch mit der Bescheidenheit und anderen Faktoren wie Einsamkeit zusammenhängen könne, so Truttmann weiter. Bevor die vertiefte Analyse nicht vorliege, sei es für Aussagen zu konkretem Handlungsbedarf zu früh. Der Gesundheits- und Sozialdirektor ergänzt, dass sich der Kanton kürzlich ein neues Altersleitbild gegeben hat. Die Massnahmen daraus soll die soziale und finanzielle Wohlfahrt der Seniorinnen und Senioren stärken. 

Ausweglose Armut weniger gravierend

Einige Seniorinnen und Senioren können ein tiefes Einkommen kompensieren, indem sie über Vermögenswerte verfügen. Ist dies nicht der Fall, sind sie in einer «finanziell ausweglosen Situation». Laut den Daten der Studie sind das rund 3,1 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 65 Jahren. Dieses Problem scheint im Kanton Nidwalden weniger gravierend zu sein. Mit schätzungsweise 3 Prozent ausweglos von Armut Betroffenen liegt der Kanton Nidwalden sogar knapp unter dem Schweizer Durchschnitt und im Vergleich mit den anderen Kantonen noch auf Platz acht. 

Anna H. hat ein bescheidenes Leben geführt und verfügt über kein angespartes Vermögen. Sie bezeichnet sich selbst «ein wenig» als arm. «Grundsätzlich bin ich zufrieden mit meiner Lebenssituation. Es gibt Leute, die haben noch viel weniger als ich.» Damit unterstreicht sie die erwähnte Nidwaldner Bescheidenheit. 

Hinweis

*Name von der Redaktion geändert.

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