«Windsurfing Urnersee» bietet Anfängerkurse für den neuen Wassersport. Ich habe einen Kurs besucht. Der Versuch zeigt: So einfach wie der Sport aussieht, ist er nicht.
Schulterbreit auf das Brett stehen, mit dem Rücken zum Wind. Das Segel im 90-Grad-Winkel zum Wind in die Höhe strecken, den Ellenbogen immer in Fahrtrichtung. Mit den Anweisungen von Kursleiter Vincent Schwiersch noch so grob im Kopf geht’s mit dem Boot auf den See.

Nach der Theoriestunde geht es jetzt ums Anwenden. Die anderen Wingfoiler, die über den Urnersee flitzen, lassen das Ganze nicht so schwer aussehen. Sollte also kein Problem sein.

Zuerst einmal auf das Brett knien, dann der Versuch aufzustehen. Problemlos. Ist ja kinderlei… PLATSCH. Eine erste Windböe bläst das Segel ins Wasser – und mich gleich hinterher.

Das Spiel wiederholt sich noch zwei, drei Mal. Vom Boot aus versucht Florian Jauch, Geschäftsführer von «Windsurfing Urnersee», mir noch einmal die wichtigsten Tipps in Erinnerung zu rufen.

Und tatsächlich gelingt es mir langsam aber sicher, mich vom Wind von Flüelen her in Richtung Isleten ziehen zu lassen.

Während ich gemächlich in der Seemitte herumfahre und meinem Körper zwischendurch eine Abkühlung gönne – zugegeben eher ungewollt –, zeigen geübte Wingfoilerinnen und Wingfoiler, wie der Sport aussehen könnte.

Das «Wing» also das Segel, das nicht wie beim Windsurfen am Brett befestigt ist, halten sie gekonnt in den Wind und justieren es ständig. Durch die optimale Nutzung des Windes erreichen sie eine hohe Geschwindigkeit. Unter dem Brett ist an einem Mast ein weiterer kleiner Flügel, das «Foil», befestigt.
Dieses erhält durch das Tempo Auftrieb und steigt bis unter die Wasseroberfläche. Das Brett hebt ab und lässt die Wingfoilerinnen und Wingfoiler einen Meter über dem Wasser fliegen.
Ein Spektakel, das ich bei meinem ersten Wingfoil-Erlebnis nur beobachten konnte. Auch, weil der Wind am späteren Nachmittag etwas abflaut, erreiche ich nicht die benötigte Geschwindigkeit.
Wieder an Land tröstet mich Geschäftsführer Florian Jauch: «Wingfoilen braucht Zeit. Insbesondere, wenn man nicht bereits segelt oder windsurft.» Festzuhalten gilt aber: Selbst bei geringer Geschwindigkeit macht es Spass, sich vom Wind über den See ziehen zu lassen. Der Anfängerkurs ist also durchaus empfehlenswert.
Der Wingfoil-Boom – verstärkt durch die Pandemie
Die Sportart gilt als eine Mischung aus Windsurfen und Kitesurfen. Vor vier Jahren kam die junge Sportart auf. Florian Jauch hat das Potenzial sofort erkannt und die Sportart ins Angebot von Windsurfing Urnersee aufgenommen. «Das Material ist weniger klobig als beim Windsurfen und Kitesurfen ist hier wegen der langen Leinen vielerorts verboten oder wegen Platzmangel schlicht nicht möglich», erklärt Florian Jauch. Auch das Gefühl, über dem Wasser zu fliegen, fasziniere viele.
Die Sportart boomt. «Während der Coronakrise haben viele mit Wingfoilen begonnen, weil man es problemlos auch in der Schweiz machen kann», sagt Jauch.

Doch Wingfoilen ist anspruchsvoll. Anspruchsvoller als Windsurfen und Kitesurfen. «Bei zwei Dritteln der Gäste, die bei uns einen Anfängerkurs buchen oder Material mieten, bleibt es bei einem einmaligen Erlebnis», sagt Jauch. Da Wingfoilen locker und leicht aussieht, wollen sich viele darin versuchen, merken dann jedoch, dass es Übung braucht, bis sie das gewünschte Niveau erreichen.
Florian Jauch empfiehlt, zuerst mit Windsurfen zu beginnen, um ein Gefühl für den Wind zu entwickeln. Auch geübte Segler hätten das Wingfoilen schneller im Griff. Ansonsten hilft nichts ausser Übung. Es brauche schon etwa eine Saison, bis man das «Foilen» beherrsche, schätzt Jauch.
Der Urnersee kann «fast mit dem Gardasee mithalten»
Tage, an denen man üben kann, gibt es am Urnersee reichlich. «Die letzten 25 Tage hatten wir täglich beste Wetter- und Windbedingungen. So können wir schon fast mit dem Gardasee mithalten», schwärmt Jauch. Durch das sonnige Wetter werden die Felsen aufgeheizt. Dadurch entsteht eine Thermik, die den Nordwind verstärkt. Am Nachmittag sei der Wind am stärksten, so Jauch.

Die heissen Temperaturen locken viele Menschen auf den kühlen See. Heute sei eher ein ruhiger Tag, knapp 50 farbige Segel sind auf dem Wasser zu erkennen. «An guten Tagen sind hier 200 bis 300 Wassersportler auf dem See», sagt Jauch. Die Saison dauert jeweils von April bis September.
Bleibt also noch genug Zeit, dem Sport eine Chance zu geben. Für Anfänger wie mich sind die warmen Sommertemperaturen ideal. Dann macht es auch nichts aus, wenn man ab und zu wieder tauchen geht.

Familienunternehmen «Windsurfing Urnersee» wird 40
Seit 40 Jahren vermietet die Familie Jauch Windsurf-Ausrüstung am Urnersee. Im Jahr 1986 verlegte die Familie ihren Standort vom Gruonbachdelta an den jetzigen Standort. Im Bereich Unterer Winkel wurde die Surfstation mit einem Campingplatz und einem Shop ergänzt. Durch seine Lage direkt am Urnersee lockt der Camping jedes Jahr viele Wassersportbegeisterte an.
2015 übernahmen Florian Jauch und seine Schwester Andrea Aregger den Betrieb von ihren Eltern. Die beiden sind auf dem Surfbrett aufgewachsen und führen «Windsurfing Urnersee» mit derselben Begeisterung für das Windsurfen weiter wie ihre Eltern.
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